Mamaíta, schwing dein Tanzbein
Dienstag, 7. Februar 2017 |
Wenn lange und kurze Beine über den Boden wirbeln, ist wieder Zeit für den wöchentlichen Salsakurs von Luisa Epp. Ein wichtiges Accessoire sollte man aber nicht vergessen: das eigene Baby.
Von Anna-Maria Deutschmann und Sabrina Grether (DFJ, 2016/17)
Rhythmische Latino-Beats vermischen sich mit Babystimmen. Hier ein schrilles Kreischen, da ein freudiges Lachen und dort wieder ein vergnügtes Quieken. Im großen Spiegel des Tanzraumes in der Aya Latin Dance Academy spiegeln sich nicht wie gewohnt Liebespaare im Bachata-Rausch, sondern glatzköpfige Zwerge in den Armen ihrer Mütter. „Und jetzt alle runter in die Knie – kurz halten – und wieder hoch.“ Nun die Arme ausstrecken und das Baby hoch in die Luft heben. Einmal, zweimal, dreimal. Und die Babys nach links und nach rechts wirbeln. Hanteln braucht bei dieser Aufwärmübung niemand.
Luisa Epp ist studierte Sozialpädagogin, Tanzlehrerin, ehemalige Deutsche Meisterin im Salsa-Tanz – und frisch gebackene Mutter. Seit Herbst gibt sie ihren neuesten Tanzkurs nicht mehr allein: Mit Sohn Emilio hat sie sich eine charmante Verstärkung dazu geholt. Er ist zwar erst acht Monate alt, spielt in den Mutter-Baby-Salsakursen, die Luisa seit November anbietet, aber eindeutig die Hauptrolle.
Ein kalter Luftzug zieht an die kleinen und großen Tanzbeine. Eine Mutter hat sich verspätet und kämpft damit, ihren Retro-Kinderwagen mit seinen großen Rädern durch die Eingangstür zu zwängen. Schnell parkt sie ihn neben den unzähligen anderen drei- und vierrädrigen Gefährten, zieht Mantel und Schuhe aus, schnappt sich ihr Baby im blau gestreiften Einteiler und gesellt sich auf Socken zur Tanzgruppe.
Ihren Salsakurs beginnt Tanzlehrerin Luisa jedes Mal mit einem Fitness-Workout, das die Mütter sichtlich ins Schwitzen bringt. „Nach der Schwangerschaft ist es schön, wieder ein neues Körpergefühl zu bekommen, sich endlich ein bisschen fitter zu fühlen und die Muskeln wiederaufzubauen“, erklärt sie. Anders als die meisten Mutter-Kind-Angebote ziele ihr Kurs nicht nur auf das Wohl des Babys, sondern gleichzeitig auf das der Mutter ab. „Wir gehen regelmäßig zum Babyschwimmen und zu anderen Kleinkindkursen, aber der Tanzkurs bietet endlich auch uns Müttern die Chance, sportlich auf unsere Kosten zu kommen“, sagt Stefanie Schmidt, die seit eineinhalb Monaten regelmäßig mit ihrem Sohn dabei ist. „Es gibt keinen anderen Kurs, bei dem man als Mama so flexibel sein kann. Ich brauche keinen Babysitter, weil ich das Baby ja automatisch dabeihabe. Und wenn der Kleine beim Tanzen mal unruhig wird, kann er sich hinten auf der Krabbeldecke austoben. Meistens schläft er aber sogar vom ganzen Rumgehüpfe ein.“
Innerhalb weniger Wochen hat sich das neue Tanzangebot unter Freiburger Eltern herumgesprochen. „Im ersten Kurs waren nur fünf Mamas dabei – mittlerweile hat sich die Gruppe mehr als verdreifacht“, sagt Luisa. „Unser kleinster Mittänzer ist gerade mal zwei Monate alt, der älteste schon über ein Jahr.“ Nur die Väter hätten sich bisher noch nicht in den Tanzraum getraut. „Aber sie sind jederzeit willkommen.“
Die Musik wird leiser, jetzt wird umgesattelt: Die Mütter befestigen ihre Babytragen – Manducas – um ihre Körper und positionieren sich wieder vor dem Spiegel. Ein paar Babys fangen an zu zetern. Hinten in der Ecke zappeln noch zwei pinke Söckchen frei in der Luft – ein unaufschiebbarer Windelvorfall muss noch geklärt werden.
Nun beginnt der Hauptteil des Kurses: Luisa erklärt die Salsa-Grundschritte erst im „Trockenen“, ohne Musik. Ihre Stimme hallt durch den Raum. „Eins, zwei, drei, fünf, sechs, sieben – eins, zwei, drei, fünf, sechs, sieben – und jetzt alle die Arme mitnehmen.“ Ein paar Mal üben die jungen Frauen die Tanzschritte unter immer lauter werdendem Gequengel, dann erklingt wieder die temperamentvolle Salsa-Musik. Sofort blicken die Babys mit großen Augen gespannt und fasziniert nach links und nachts rechts und verstummen. Ihre kurzen Stramplerbeine lugen in den verschiedensten Farben aus den Babytragen hervor. Sobald die Grundschritte sitzen, erweitert die Salsalehrerin die Schrittkombinationen – es geht nun etwas flotter nach links und rechts, nach vorne und hinten. Beine überkreuzen sich, hin und wieder eine elegante Drehung. „Salsa ist anspruchsvoll und anstrengend. Aber nicht nur für den Körper, sondern auch fürs Gehirn“, erklärt Luisa. „Das Tanztraining hält auch den Kopf fit.“
Beim Tanzen wippen die mit Flaum bedeckten Babyköpfe im Takt mit. Die kleinen Nachwuchstänzer glucksen vor Freude und scheinen an den Bewegungen Gefallen zu finden. Zwischendurch bekommt jemand Hunger: Eine Mutter stillt ihr Baby in aller Ruhe auf dem Sofa neben der Tanzfläche. Ganz geschafft vom vielen Tanzen, hält ein anderes ein Nickerchen in seiner Babyschale. Auf der Krabbelwiese vergnügen sich zwei andere Säuglinge mit ihren Spielzeugen. Ihre Füße wippen im Takt zur Musik.
Für Mutter und Kind bedeuten die Tanzkurse weit mehr als nur eine spaßige Abwechslung. Susanne Mierau ist Kleinkindpädagogin und betont, wie wichtig die körperliche Nähe von Kind und Mutter sei. „Über den Körperkontakt wird die enge emotionale Bindung von Baby und Mutter intensiviert“, so Mierau. „Das Kind erfährt über den Tastsinn viel mehr als über jeden anderen Sinn. Er ist daher von elementarer Bedeutung in der Entwicklung jedes Kindes.“ Auch Tanzlehrerin Luisa ist davon überzeugt. „Ich merke Emilio nach jedem Kurs an, wie gut ihm die körperliche Nähe beim Tanzen tut“, sagt sie. „Er ist danach immer super entspannt.“
Auch heute strahlt ihr kleiner Sohn von einem Ohr zum anderen. Ob er sich aber vielleicht so besonders freut, weil er seit Kurzem eine kleine Cousine hat? Der glückliche Vater ist sein Onkel Anichi Perez, Inhaber der Tanzschule in der Haslacher Straße. Luisa ist mit seinem Bruder verheiratet. Da sowohl die zwei aus Ecuador stammenden Brüder als auch ihre Partnerinnen leidenschaftlich gern tanzen, wurden die zwei Säuglinge in eine Vollblut-Tänzerfamilie hineingeboren. Sind die Baby-Salsakurse also vielleicht schon der erste Schritt ihrer glorreichen Tanzkarriere? „Für Emilio ist schon alles eingeplant“, so Luisa lachend. „Seine zukünftige Tanzpartnerin hat ja jetzt auf jeden Fall schon mal das Licht der Welt erblickt.“